Paris, 22. Januar
1988
Protokoll zum Vertrag
vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen
Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit
Die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik
- überzeugt, daß das europäische Einigungswerk unvollständig bleiben
wird, solange es nicht auch Sicherheit und Verteidigung umfaßt;
- entschlossen, zu diesem Zweck ihre Zusammenarbeit auf der Grundlage
des Vertrags vom 22. Januar 1963 über die deutsch-französische Zusammenarbeit,
dessen Verwirklichung insbesondere durch die Erklärung vom 22. Oktober
1982 und 28. Februar 1986 verdeutlicht wurde, auszuweiten und zu intensivieren;
- überzeugt von der Notwendigkeit, in Übereinstimmung mit der Erklärung
der Minister der Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union vom 27. Oktober
1987 in Den Haag eine europäische Identität auf dem Gebiet der Verteidigung
und der Sicherheit zu entwickeln, durch die imEinklang mit den Verpflichtungen
zur Solidarität, die sie im geänderten Brüsseler Vertrag sowie im Nordatlantikvertrag
eingegangen sind, die Schicksalsgemeinschaft, die beide Länder verbindet,
wirksam zum Ausdruck gebracht wird;
- gewillt, dafür zu sorgen, daß im Einklang mit Artikel V des geänderten
Brüsseler Vertrags ihre Entschlossenheit, alle Vertragsstaaten dieses
Vertrags an ihren Grenzen zu verteidigen, sichtbar und mit den erforderlichen
Mitteln untermauert wird;
- überzeugt, daß die Strategie der Abschreckung und Verteidigung,
auf der ihre Sicherheit beruht und die jeden Krieg verhüten soll, sich
weiterhin auf eine geeignete Zusammensetzung nuklearer und konventioneller
Streitkräfte stützen muß;
- entschlossen, gemeinsam mit ihren übrigen Partnern und unter
Berücksichtigung ihrer eigenen Optionen im Nordatlantischen Bündnis einen
angemessenen militärischen Beitrag aufrechtzuerhalten, mit dem jeder Angriff
oder Einschüchterungsversuch in Europa verhütet werden kann;
- überzeugt, daß alle Völker unseres Kontinents das gleiche Recht
auf ein Leben in Frieden und Freiheit haben und daß die Stärkung beider
Voraussetzung ist für Fortschritte auf dem Weg zu einer gerechten und
dauerhaften Friedensordnung in ganz Europa;
- entschlossen, sicherzustellen, daß ihre Zusammenarbeit diesen
Zielen dient;
- im Bewußtseinihrer gemeinsamen Sicherheitsinteressen und entschlossen,
ihre Auffassungen in allen die Verteidigung und Sicherheit Europas berührenden
Fragen einander anzunähern;
sind zu diesem Zweck wie folgt übereingekommen:
Artikel 1
Um der beide Länder verbindenden Schicksalsgemeinschaft Ausdruck zu verleihen
und ihre Zuammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung und der Sicherheit
weiterzuentwickeln, wird in Übereinstimmung mit den Zielen und Bestimmungen
des Vertrags vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit
ein deutsch-französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat geschaffen.
Artikel 2
Der Rat besteht aus den Staats- und Regierungschefs und den Außen- und
Verteidigungsministern. Der Generalinspekteur der Bundeswehr und der Generalstabschef
der Streitkräfte nehmen kraft Amtes teil.
Das Ratskomitee besteht aus den Außen- und Verteidigungsministern. Hohe
Beamte und Soldaten, die für die bilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet
der Verteidigung und der Sicherheit verantwortlich sind, können zur Teilnahme
an seiner Arbeit aufgefordert werden.
Artikel 3
Der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat tritt mindestens
zweimal im Jahr abwechselnd in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich
zusammen.
Seine Arbeit wird vom Ratskomitee vorbereitet, das sich auf den Deutsch-Französischen
Ausschuß für Verteidigung und Sicherheit abstützt.
Artikel 4
Die Arbeit des deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats
hat insbesondere folgendes zum Gegenstand:
- Ausarbeitung gemeinsamer Konzeptionen auf dem Gebiet der Verteidigung
und der Sicherheit;
- Sicherstellung einer zunehmenden Abstimmung zwischen beiden Staaten
in allen die Sicherheit Europas angehenden Fragen, einschließlich des
Gebiets der Rüstungskontrolle und der Abrüstung;
- Beschlußfassung hinsichtlich der gemischten Militäreinheiten, die im
gegenseitigen Einvernehmen aufgestellt werden;
- Beschlußfassung im Hinblick auf gemeinsame Manöver, auf die Ausbildung
von Militärpersonal sowie auf Unterstützungsvereinbarungen, mit denen
die Fähigkeit der Streitkräfte beider Länder gestärkt wird, sowohl im
Frieden als auch im Krisen- oder Verteidigungsfall zusammenzuarbeiten;
- Verbesserung der Interoperabilität der Ausrüstung beider Streitkräfte;
- Entwicklung und Vertiefung der Rüstungszusammenarbeit unter Berücksichtigung
der Notwendigkeit, zur Sicherung der gemeinsamen Verteidigung ein angemessenes
industrielles und technologisches Potential in Europa aufrechtzuerhalten
und zu stärken.
Artikel 5
Das Sekretariat des deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats
sowie des Ratskomitees wird von Vertretern beider Staaten geleitet. Der
Sitz des Sekretariats wird in Paris eingerichtet.
Artikel 6
Dieses Protokoll wird dem Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische
Zusammenarbeit beigefügt und ist Bestandteil dieses Vertrags.
Es tritt in Kraft, sobald jede der beiden Regierungen der anderen mitgeteilt
hat, daß die dazu erforderlichen innerstaatlichen Voraussetzungen erfüllt
sind.
Geschehen zu Paris am 22. Januar 1988 in zwei Urschriften, jede in deutscher
und in französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich
ist.
Für die Bundesrepublik Deutschland
Der Bundeskanzler
Der Bundesminister des Auswärtigen
Der Bundesminister der Verteidigung
Der Minister der Verteidigung
Für die Französische Republik
Der Präsident der Französischen Republik
Der Premierminister Der Bundesminister der Verteidigung
Der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten
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