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Die Verfassung der französischen Republick - 1958


Titel V : DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN
PARLAMENT UND REGIERUNG
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Artikel 34

Die Gesetze werden vom Parlament beschlossen. Durch Gesetz werden geregelt:

- die staatsbürgerlichen Rechte und die den Staatsbürgern zur Ausübung ihrer Grundrechte gewährten grundlegenden Garantien; die den Staatsbürgern durch die Erfordernisse der nationalen Verteidigung auferlegten Verpflichtungen hinsichtlich ihrer Person und ihres Vermögens;

- die Staatsangehörigkeit, der Personenstand, die Rechtsfähigkeit, das eheliche Güterrecht sowie das Erb- und Schenkungsrecht;

- die Festlegung der Verbrechen und Vergehen sowie die darauf stehenden Strafen, das Strafverfahrensrecht, die Amnestie, die Schaffung neuer Kategorien von Gerichtsbarkeiten und die Rechtsstellung der Richter und Staatsanwälte;

- die Steuerbemessungsgrundlagen, die Steuersätze und das Erhebungsverfahren für Steuern und Abgaben aller Art; die Regelung der Geldemission.

Durch Gesetz werden ferner geregelt:

- das Wahlsystem der beiden Kammern des Parlaments und der lokalen Versammlungen;

- die Schaffung neuer Arten von öffentlichen Einrichtungen;

- die den zivilen und militärischen Staatsbeamten gewährten grundlegenden Garantien;

- die Verstaatlichung von Unternehmen und die Überführung von Eigentum öffentlicher Unternehmen in Privateigentum.

Durch Gesetz werden die Grundsätze geregelt für:

- die allgemeine Organisation der nationalen Verteidigung;

- die Selbstverwaltung der Gebietskörperschaften, ihre Zuständigkeiten und ihre Einnahmequellen;

- das Unterrichtswesen; - das Eigentumsrecht, das Sachenrecht sowie das zivil- und handelsrechtliche Schuldrecht;

- das Arbeitsrecht, das Koalitionsrecht und die Sozialversicherung.

Die Haushaltsgesetze bestimmen die Einnahmen und Ausgaben des Staates gemäß einem Organgesetz und den darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalten.

Die Gesetze zur Finanzierung der Sozialversicherung bestimmen die allgemeinen Bedingungen ihrer finanziellen Ausgeglichenheit. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Einnahmen bestimmen sie die Ausgabenzwecke gemäß einem Organ gesetz und den darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalten.

Programmgesetze bestimmen die Ziele der wirtschaftlichen und sozialen Tätigkeit des Staates.

Die Bestimmungen dieses Artikels können durch ein Organgesetz näher geregelt und ergänzt werden.

Artikel 35

Die Kriegserklärung bedarf der Zustimmung des Parlaments.

Artikel 36

Der Belagerungszustand wird im Ministerrat verordnet. Zu seiner Verlängerung über zwölf Tage hinaus kann nur das Parlament ermächtigen.

Artikel 37


Die Bereiche, die nicht in die Gesetzgebung fallen, werden auf dem Verordnungsweg geregelt. Texte in Gesetzesform, die für diese Bereiche erlassen wurden, können nach Anhörung des Staatsrates durch Dekrete geändert werden. Diejenigen dieser Texte, die nach Inkrafttreten dieser Verfassung ergehen sollten, können nur dann durch Dekret geändert werden, wenn der Verfassungsrat erklärt hat, daß sie gemäß dem vorangehenden Absatz Verordnungscharakter haben.

Artikel 38

Die Regierung kann zur Durchführung ihres Programms das Parlament um die Ermächtigung ersuchen, während eines begrenzten Zeitraumes durch gesetzesvertretende Verordnungen Maßnahmen zu treffen, die normalerweise dem Bereich der Gesetzgebung unterliegen.

Die gesetzesvertretenden Verordnungen werden im Ministerrat nach Anhörung des Staatsrates beschlossen. Sie treten mit ihrer Veröffentlichung in Kraft, werden jedoch hinfällig, wenn der Entwurf des Ratifizierungsgesetzes im Parlament nicht vor dem durch das Ermächtigungsgesetz festgelegten Zeitpunkt eingebracht wurde.

Nach Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist können gesetzesvertretende Verordnungen für die Bereiche, die durch die Gesetzgebung geregelt werden, nur noch durch Gesetz geändert werden.

Artikel 39

Die Gesetzesinitiative steht sowohl dem Premierminister als auch den Mitgliedern des Parlaments gleichberechtigt zu. Die Gesetzentwürfe werden nach Anhörung des Staatsrates im Ministerrat beraten und bei einer der beiden Kammern eingebracht. Die Entwürfe von Haushaltsgesetzen und von Gesetzen zur Finanzierung der Sozialversicherung werden zuerst der Nationalversammlung vorgelegt.

Artikel 40

Gesetzesvorschläge und Änderungsanträge von Mitgliedern des Parlaments sind unzulässig, wenn ihre Annahme eine Verringerung der öffentlichen Einnahmen oder die Begründung oder Erhöhung öffentlicher Ausgaben zur Folge hätte.

Artikel 41


Stellt sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens heraus, daß ein Gesetzesvorschlag oder ein Änderungsantrag nicht in den Bereich der Gesetzgebung fällt oder einer gemäß Artikel 38 erteilten Ermächtigung entgegensteht, so kann die Regierung seine Unzulässigkeit einwenden. Sind die Regierung und der Präsident der betreffenden Kammer uneinig, so entscheidet auf Verlangen einer der beiden Parteien der Verfassungsratbinnen acht Tagen.

Artikel 42

Die Beratung der Gesetzentwürfe findet in der damit zuerst befaßten Kammer über die von der Regierung vorgelegte Fassung statt. Eine Kammer, die mit einer von der anderen Kammer verabschiedeten Fassung befaßt wird, berät über die ihr vorgelegte Fassung. Artikel 43 Die Gesetzentwürfe und Gesetzesvorschläge werden auf Ersuchen der Regierung oder der mit ihnen befaßten Kammer in die eigens zu diesem Zweck eingesetzten Ausschüsse zur Prüfung überwiesen.

Die Gesetzentwürfe und Gesetzesvorschläge, für die ein solches Ersuchen nicht vorgebracht wurde, werden einem der ständigen Ausschüsse überwiesen, deren Zahl in jeder Kammer auf sechs begrenzt ist.

Artikel 44

Die Mitglieder des Parlaments und die Regierung sind berechtigt, Änderungsanträge einzubringen. Nach Eröffnung der Aussprache kann sich die Regierung der Prüfung jedes Änderungsantrags widersetzen, der nicht zuvor dem Ausschuß vorgelegen hat. Auf Verlangen der Regierung entscheidet die befaßte Kammer in nur einer Ab-stimmung über die gesamte zur Beratung stehende Fassung oder Teile davon, wobei sie nur die von der Regierung vorgeschlagenen oder angenommenen Änderungsanträge berücksichtigt.

Artikel 45


Jeder Gesetzentwurf oder Gesetzesvorschlag wird nacheinander in beiden Kammern des Parlaments mit dem Ziel beraten, zur Annahme einer übereinstimmenden Fassung zu gelangen.

Kann ein Gesetzentwurf oder Gesetzesvorschlag wegen Uneinigkeit zwischen den beiden Kammern nach zwei Lesungen in jeder Kammer oder im Falle einer Dringlichkeitserklärung der Regierung nach nur einer Lesung in jeder Kammer nicht angenommen werden, so kann der Premierminister einen paritätisch besetzten Ausschuß einberufen, der eine Fassung der noch strittigen Bestimmungen vorzuschlagen hat.

Die von dem paritätisch besetzten Ausschuß ausgearbeitete Fassung kann den beiden Kammern von der Regierung zur Annahme vorgelegt werden. Änderungsanträge sind nur mit Genehmigung der Regierung zulässig. Gelangt der paritätisch besetzte Ausschuß nicht zur Annahme einer gemeinsamen Fassung oder wird diese Fassung nicht gemäß den im vorangehenden Absatz genannten Bedingungen angenommen, so kann die Regierung nach einer erneuten Lesung in der Nationalversammlung und im Senat die Nationalversammlung um eine endgültige Beschlußfassung ersuchen. In diesem Falle kann die Nationalversammlung entweder die von dem paritätisch besetzten Ausschuß ausgearbeitete Fassung oder die von ihr zuletzt verabschiedete Fassung wieder aufnehmen, welche gegebenenfalls durch einen oder mehrere vom Senat angenommene Änderungsanträge abgeändert ist.

Artikel 46

Gesetze, denen die Verfassung den Charakter von Organgesetzen verleiht, werden unter folgenden Bedingungen beschlossen und geändert: Der Gesetzentwurf oder Gesetzesvorschlag wird der damit zuerst befaßten Kammer erst nach Ablauf von fünfzehn Tagen nach Einbringung zur Beratung und Abstimmung vorgelegt. Das Verfahren gemäß Artikel 45 ist anwendbar. Gelangen die beiden Kammern jedoch nicht zur Übereinstimmung, so kann die Textvorlage von der Nationalversammlung in letzter Lesung nur mit der absoluten Mehrheit ihrer Mitglieder angenommen werden.

Die den Senat betreffenden Organgesetze müssen von beiden Kammern im gleichen Wortlaut beschlossen werden. Organgesetze können erst verkündet werden, nachdem der Verfassungsrat ihre Verfassungsmäßigkeit erklärt hat.

Artikel 47

Das Parlament beschließt die Haushaltsgesetzentwürfe gemäß den in einem Organgesetz vorgesehenen Bedingungen. Hat die Nationalversammlung in erster Lesung innerhalb einer Frist von vierzig Tagen nach Einbringung des Gesetzentwurfs keinen Beschluß gefaßt, so überweist ihn die Regierung dem Senat, der innerhalb einer Frist von fünfzehn Tagen einen Be schluß fassen muß. Danach wird gemäß den Bestimmungen in Artikel 45 verfahren.

Hat das Parlament innerhalb einer Frist von siebzig Tagen keinen Beschluß gefaßt, können die Bestimmungen des Entwurfs durch eine gesetzesvertretende Verordnung in Kraft gesetzt werden.

Wurde das Haushaltsgesetz über die Einnahmen und Ausgaben eines Haus- haltsjahres nicht rechtzeitig eingebracht, um vor Beginn dieses Haushaltsjahres verkündet zu werden, so fordert die Regierung in einem Dringlichkeitsverfahren vom Parlament die Ermächtigung zur Steuererhebung und bewilligt durch Dekret die Mittel für die gesetzlich festgelegten Teile des Haushalts (3).

Die in diesem Artikel vorgesehenen Fristen werden ausgesetzt, wenn sich das Parlament nicht in der Sitzungsperiode befindet. Der Rechnungshof unterstützt das Parlament und die Regierung bei der Kontrolle der Ausführung der Haushaltsgesetze.

Artikel 47-1


Das Parlament beschließt die Gesetzentwürfe über die Finanzierung der Sozialversicherung gemäß den in einem Organgesetz vorgesehenen Bedingungen. Hat die Nationalversammlung in erster Lesung innerhalb einer Frist von zwanzig Tagen nach Einbringung des Gesetzentwurfs keinen Beschluß gefaßt, so überweist ihn die Regierung dem Senat, der innerhalb einer Frist von fünfzehn Tagen einen Be schluß fassen muß. Danach wird gemäß den Bestimmungen in Artikel 45 verfahren.

Hat das Parlament innerhalb einer Frist von fünfzig Tagen keinen Beschluß gefaßt, können die Bestimmungen des Entwurfs durch eine gesetzesvertretende Verordnung in Kraft gesetzt werden.

Die in diesem Artikel vorgesehenen Fristen werden ausgesetzt, wenn sich das Parlament nicht in einer Sitzungsperiode befindet, und in den Wochen, in denen jede Kammer gemäß Artikel 28 Absatz 2 beschlossen hat, keine Sitzungen abzuhalten.

Der Rechnungshof unterstützt das Parlament und die Regierung bei der Kontrolle der Anwendung der Gesetze über die Finanzierung der Sozialversicherung.

Artikel 48

Unbeschadet der Anwendung der letzten drei Absätze des Artikels 28 enthält die Tagesordnung der Kammern, vorrangig und in der von der Regierung bestimmten Reihenfolge, die Beratungen über die von der Regierung eingebrachten Gesetz-entwürfe und die von ihr angenommenen Gesetzesvorschläge. Mindestens eine Sitzung in der Woche ist vorrangig den Fragen der Mitglieder des Parlaments und den Antworten der Regierung vorbehalten. Eine Sitzung pro Monat ist vorrangig der von jeder Kammer festgelegten Tages-ordnung vorbehalten.

Artikel 49

Der Premierminister übernimmt nach Beratung des Ministerrates vor der Nationalversammlung die politische Verantwortung der Regierung für ihr Programm oder gegebenenfalls für eine Erklärung zur allgemeinen Politik. Die Nationalversammlung spricht der Regierung das Mißtrauen durch die Annahme eines Mißtrauensantrages aus. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn er von mindestens einem Zehntel der Mitglieder der Nationalversammlung unterzeichnet ist. Die Abstimmung darf erst achtundvierzig Stunden nach der Einbringung des Antrags stattfinden.

Gezählt werden nur die für den Mißtrauensantrag abgegebenen Stimmen; dieser kann nur mit der Mehrheit der der Nationalversammlung angehörenden Mitglieder angenommen werden. Außer in dem im folgenden Absatz vorgesehenen Fall kann ein Abgeordneter nicht mehr als drei Mißtrauensanträge im Laufe ein und derselben ordentlichen Sitzungsperiode und nicht mehr als einen im Laufe ein und derselben außerordentlichen Sitzungsperiode unterzeichnen.

Der Premierminister kann nach Beratung des Ministerrates vor der Nationalversammlung die politische Verantwortung der Regierung für die Abstimmung über eine Textvorlage übernehmen. In diesem Falle gilt die Textvorlage als angenommen, wenn nicht innerhalb der darauffolgenden vierundzwanzig Stunden ein Mißtrauens-antrag eingebracht und unter den im vorangegangenen Absatz genannten Bedingungen angenommen wird. Der Premierminister hat das Recht, vom Senat die Zustimmung zu einer Erklärung zur allgemeinen Politik zu verlangen.

Artikel 50

Nimmt die Nationalversammlung einen Mißtrauensantrag an oder lehnt sie das Regierungsprogramm oder eine Erklärung zur allgemeinen Politik ab, so muß der Premierminister beim Präsidenten der Republik den Rücktritt der Regierung einreichen.

Artikel 51

Der Schluß der ordentlichen Sitzungsperiode oder der außerordentlichen Sitzungsperioden wird von Rechts wegen ausgesetzt, um gegebenenfalls die Anwendung des Artikels 49 zu ermöglichen. Zu demselben Zweck sind zusätzliche Sitzungen rechtens.

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