Paris, 22. Januar
2003
Die
deutsch-französische Freundschaft im Dienste einer gemeinsamen Verantwortung
für Europa
1.
Der vor 40 Jahren zwischen Deutschland und Frankreich von Bundeskanzler
Adenauer und Staatspräsident de Gaulle unterzeichnete Elysée-Vertrag
hat die Aussöhnung zwischen unseren beiden Völkern besiegelt
und die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden auf dem Kontinent
geschaffen.
2.
Deutschland und Frankreich, Gründungsmitglieder der Europäischen
Gemeinschaften, haben als Motor gewirkt und besonders in den letzten
zwanzig Jahren Impulse für die großen Fortschritte beim Aufbau
Europas gegeben: die Einheitliche Europäische Akte, den Vertrag
von Maastricht, den Euro, den Schengenraum. Kürzlich erst war es
Deutschland und Frankreich ein wichtiges Anliegen, zum erfolgreichen
Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit den zehn Kandidatenländern
in Kopenhagen beizutragen. Deutschland und Frankreich sind sich ihrer
gemeinsamen historischen Verantwortung im Dienste Europas bewusst. Sie
wollen weiterhin eine treibende Kraft sein, die Vorschläge einbringt
und ihre Partner mitziehen kann, ohne diesen etwas aufzuzwingen.
3.
Der Elysée-Vertrag hat zudem eine Ära beispielloser Zusammenarbeit
zwischen unseren beiden Ländern eingeleitet. Unser enger Dialog
und unsere Zusammenarbeit auf allen Gebieten fördern einen immer
intensiveren Austausch zwischen unseren Gesellschaften. Heute würdigen
wir alle Akteure, die zur Entwicklung und Vertiefung dieses Dialogs
beigetragen haben: politische Persönlichkeiten, Gebietskörperschaften,
Unternehmen, Verbände, Schulen und andere Einrichtungen der Erziehung,
Wissenschaft und Kultur.
4.
Wir begrüßen auch die Arbeit des Deutsch-Französischen
Jugendwerks, das mehr als sieben Millionen Jugendlichen Gelegenheit
zur Begegnung geboten hat, der Deutsch-Französischen Hochschule,
durch die jedes Jahr mehr als 3000 Studierende integrierte Deutsch-Französische
Studiengänge besuchen, und des Fernsehsenders ARTE, Symbol des
Willens zur Kooperation zwischen unseren beiden Ländern, der unlängst
seinen zehnten Jahrestag gefeiert hat. Auf militärischem Gebiet
heben wir die Rolle der Deutsch-Französischen Brigade hervor, die
am Beginn des Eurokorps stand, das uns die Durchführung gemeinsamer
Kriseneinsätze ermöglicht. Jetzt, da Deutschland und Frankreich
sich entschließen, anlässlich dieses Jahrestages das sie
einende Band noch weiter zu verstärken, müssen diese Institutionen
wie auch das Gesamtgefüge der Strukturen deutsch-französischer
Zusammenarbeit ihre Aufgaben dieser neuen Ära der Annäherung
anpassen und ihre Aktivitäten noch mehr in einer europäischen
Perspektive gestalten.
5.
Nach 40 Jahren haben sich die Rahmenbedingungen der deutsch-französischen
Partnerschaft wesentlich verändert. Das Ende des kalten Krieges
und die Einigung Deutschlands haben die Wiedervereinigung Europas eingeleitet.
Die Verbindung der EU-Erweiterung mit der Gestaltung einer gemeinsamen
Verfassung stellt unsere beiden Länder vor große Herausforderungen.
Die Erfolge unserer 40jährigen Zusammenarbeit geben uns die Zuversicht,
dass wir die Aufgaben bei der Gestaltung des neuen Europa in einer globalisierten
Welt erfolgreich bewältigen werden. Wir sind deshalb entschlossen,
eine neue Etappe der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern in
Angriff zu nehmen.
Unsere
gemeinsame Verantwortung für Europa
6.
Deutschland und Frankreich sind in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden.
Unsere gemeinsame Zukunft ist von der einer vertieften und erweiterten
Europäischen Union nicht zu trennen. Daher wollen wir unseren Partnern
eine gemeinsame Vision des Europa von morgen vorschlagen. Wir sind entschlossen,
alles zu tun, um die Stärkung dieser Union voranzutreiben.
7.
Wir freuen uns über die auf dem Europäischen Rat Kopenhagen
nach einer schmerzlichen Geschichte besiegelte Rückkehr zur europäischen
Gemeinsamkeit. Wir sind entschlossen, die Erweiterung zum Erfolg zu
führen, indem wir den neuen Mitgliedstaaten helfen, sich harmonisch
in die Europäische Union zu integrieren und an unserer Seite für
die Werte einzutreten, die für den europäischen Gedanken wesentlich
sind. Wir werden gemeinsam die künftigen Beitritte vorbereiten,
insbesondere die von Bulgarien und Rumänien, und eine privilegierte
Partnerschaft mit den Staaten an den Grenzen der Union fördern,
um die Stabilität und den Wohlstand Europas und seiner Nachbarn
sicherzustellen.
8.
Die erweiterte, vielfältigere und damit komplexere Union muss ihre
Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit bewahren. Daher wollen wir
den Erfolg des Konvents über die Zukunft Europas. Wir haben dem
Konvent unsere Vorschläge vorgelegt, die es der Europäischen
Union ermöglichen sollen, ihre inneren und äußeren Herausforderungen
zu bewältigen. Wir rufen dazu auf, die Grundlagen für eine
stärkere, demokratischere, verständlichere, solidarischere
und effizientere Union zu schaffen, die eine größere Glaubwürdigkeit
in der Welt besitzt. Wir wollen die Institutionen der Union mit größeren
Handlungsspielräumen ausstatten, ihre Legitimität und Stabilität
stärken und eine wirkliche Union der Bürgerinnen und Bürger
errichten. Auch aus diesem Grund sollte die Grundrechtecharta in den
Text der Verfassung aufgenommen werden, um all ihre Kraft in den Dienst
der Werte und Prinzipien zu stellen, die die Grundlagen des europäischen
Gedankens bilden.
9.
Wir sind entschlossen, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
der Europäischen Union und der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik eine neue Qualität zu verleihen, um die Europäische
Union in die Lage zu versetzen, ihrer Rolle in der Welt voll und ganz
gerecht zu werden und weltweit Freiheit, Frieden und Demokratie in Übereinstimmung
mit ihren Werten zu fördern. Wir schlagen die Schaffung einer Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungsunion vor, die der Solidarität und
gemeinsamen Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten konkrete Gestalt und Wirksamkeit
verleiht und auch zur Stärkung des europäischen Pfeilers der
Atlantischen Allianz beitragen soll. Um unserer Entschlossenheit für
eine solche Fortentwicklung der ESVP Ausdruck zu verleihen, werden wir
die erforderlichen Anstrengungen zur Verbesserung der militärischen
Fähigkeiten unternehmen und dabei auch unsere bilaterale Zusammenarbeit
erheblich intensivieren.
10.
Wir verpflichten uns auch zu einer neuen Solidarität mit den Ländern
des Südens, um besonders die Entwicklung der ärmsten Länder
zu sichern, insbesondere im Rahmen der Verhandlungen, die unter der
Ägide der Welthandelsorganisation geführt werden.
11.
Es entspricht unserer beiderseitigen Verantwortung, die gemeinsamen
Politiken der Union zu entwickeln und sie den neuen Realitäten
des europäischen Aufbauwerks anzupassen, da diese Politiken die
wesentliche Grundlage der Solidarität zwischen den Ländern
der Union bilden. Daher werden wir zusammen die große Debatte
über die finanziellen Perspektiven der Union und über die
Zukunft der gemeinsamen Politiken nach 2006 vorbereiten. Dabei bemühen
wir uns um umfassende Lösungen, die auch den Schlussfolgerungen
des letzten Europäischen Rates von Brüssel am 24. und 25.
Oktober 2002 zugrunde liegen.
12.
Wir werden darauf achten, dass die Mehrsprachigkeit in den Institutionen
der Europäischen Union eingehalten wird, und sind entschlossen,
die notwendigen Maßnahmen für die Verwendung des Deutschen
und des Französischen in ihren Gremien zu treffen, indem wir zum
Beispiel das Erlernen der beiden Sprachen durch die künftigen europäischen
Beamtinnen und Beamten, besonders diejenigen aus den Beitrittsländern,
im Rahmen von universitären oder beruflichen Ausbildungsprogrammen
fördern werden.
13.
Wir wollen Europa als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
stärken, damit alle europäischen Bürgerinnen und Bürger
überall auf dem Gebiet der Europäischen Union sicher leben
können, insbesondere angesichts neuer Bedrohungen. Die Europäische
Union muss eine Gemeinschaft des Rechts und ein Raum der Bürgerinnen
und Bürger sein. Auch wollen wir die Freizügigkeit in der
Union durch die Abschaffung der Aufenthaltsgenehmigungen für die
europäischen Bürgerinnen und Bürger erleichtern. Wir
werden uns auch für eine gemeinsame europäische Asyl- und
Einwanderungspolitik einsetzen. Ebenso verpflichten wir uns zu einer
aktiven Politik für die Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft,
die Schaffung eines europäischen Strafregisters, die Verstärkung
der Kapazitäten von Europol und die Einrichtung einer europäischen
Grenzpolizei, die ein wirksameres Vorgehen gegen die illegale Einwanderung
ermöglichen wird.
Die
Solidarität zwischen Deutschland und Frankreich durch intensivere
Zusammenarbeit stärken
14.
Um ihre Rolle als Antriebs- und Zugkraft in der Europäischen Union
gänzlich auszufüllen, müssen unsere beiden Länder
ihre bilaterale Zusammenarbeit in der Europäischen Union in exemplarischer
Weise intensivieren. Unser Ziel ist, dass unsere Projekte als Grundlage
für die europäischen Politiken dienen können. Wir ergreifen
daher bilaterale Initiativen, die es auf prioritären Aktionsfeldern
erlauben, eine engere Verbindung zwischen unseren Bürgerinnen und
Bürgern, unseren Gesellschaften und unseren Institutionen zu praktizieren.
Jugend,
Bildung und Sport
15.
Die Vielfalt der Sprachen ist ein Reichtum der Europäischen Union.
Ihr Erlernen ist Quelle der Entfaltung und Chance für die junge
Generation. Wir möchten das Erlernen der Partnersprache entschlossen
fördern und unterstützen generell ein Bildungsmodell, das
es den Jugendlichen unserer beiden Länder ermöglicht, zwei
europäische Fremdsprachen zu beherrschen.
16.
Wir erklären den 22. Januar zum "Deutsch-Französischen Tag".
Wir wünschen, dass dieser Tag künftig in allen Einrichtungen
unserer Bildungssysteme der Darstellung unserer bilateralen Beziehungen,
der Werbung für die Partnersprache und der Information über
die Austausch- und Begegnungsprogramme sowie über die Möglichkeiten
des Studiums und der Beschäftigung im Partnerland gewidmet wird.
17.
Unser Ziel ist es, die Jugendlichen unserer beiden Länder zu ermutigen,
Deutschland und Frankreich als einheitlichen Raum für die Durchführung
ihrer Ausbildung und die Ausübung ihres Berufs wahrzunehmen. Zur
Erleichterung des Austauschs im Hochschul- und Berufsbildungsbereich
und der beruflichen Mobilität werden wir weiter für die vollständige
gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen und für noch
mehr Transparenz und Vergleichbarkeit von beruflichen Qualifikationen
sorgen. Die zuständigen Minister werden die Hindernisse identifizieren,
die es noch zu überwinden gilt, und bis zum nächsten deutsch-französischen
Gipfel einen präzisen Zeitplan für die Realisierung dieses
Ziels aufstellen sowie regelmäßig über die erreichten
Fortschritte berichten. Die Deutsch-Französische Hochschule soll
ausgebaut und in die Lage versetzt werden, eine möglichst große
Anzahl Studierender aufzunehmen. Deutschland und Frankreich möchten
ihr eine neue Dimension geben und schlagen ihren europäischen Partnern
vor, die Entwicklung von Zusammenschlüssen von Hochschulinstitutionen
zu fördern. Als Vorhut eines Europa der Hochschulen werden diese
den Studierenden eine auf europäischer Ebene integrierte akademische
Ausbildung ermöglichen.
18.
Um den sportlichen Austausch zu intensivieren, beabsichtigen wir die
gemeinsame Kandidatur Deutschlands und Frankreichs für die Ausrichtung
internationaler Sportwettbewerbe. Wir regen grenzüberschreitende
deutsch-französische Großveranstaltungen auf dem Gebiet des
Sports unter Einbeziehung eines möglichst breiten Publikums an.
Zivilgesellschaft,
Kultur und Medien
19.
Die engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich setzt
eine bessere gegenseitige Kenntnis unserer Gesellschaften und Kulturen
voraus. Um einen intensiveren Dialog zwischen den Verantwortlichen aus
Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden, Medien und Kultur
zu ermöglichen, schlagen wir vor, dass eine jährlich stattfindende
Deutsch-Französische Konferenz diesen Personenkreis zusammenführt,
um die unsere Gesellschaften betreffenden großen Fragen zu diskutieren.
20.
Wir wünschen, dass bereits dieses Jahr Verhandlungen aufgenommen
werden, die die Ausarbeitung einer internationalen Konvention über
die kulturelle Vielfalt im Rahmen der UNESCO zum Ziel haben. Diese Vielfalt
muss vor allem im audiovisuellen Bereich und in den neuen Informations-
und Kommunikationstechnologien Ausdruck finden. Die Förderung unseres
Kulturbetriebs soll dazu ebenso beitragen.
Wir
regen die Fortentwicklung des Journalistenaustauschs zwischen unseren
beiden Ländern an. Wir rufen unsere Minister auf, sich für gemeinsame
Kulturprojekte in Drittländern zu engagieren, wozu insbesondere der
zu diesem Zweck geschaffene Finanzierungsfonds der beiden Außenministerien
genutzt werden soll, und eine gemeinsame Unterbringung unserer Kulturinstitute
in Moskau anzustreben.
21.
Wir fordern die europäische Öffnung des Kulturkanals ARTE
unter Wahrung seiner deutsch-französischen Identität, u.a.
durch die Einrichtung einer Datenbank für europäische Programme
durch diesen Sender, und fordern ihn auf, die Annäherung unserer
Gesellschaften voranzubringen. Wir unterstreichen die Bedeutung der
Präsenz mindestens eines Fernsehprogramms aus dem Nachbarland in
der deutschen und französischen Fernsehlandschaft. Wir fördern
die Produktion und Ausstrahlung von gemeinsamen Programmen durch die
Radio- und Fernsehanstalten beider Länder. Wir wollen, dass unsere
beiden Länder weiterhin Überlegungen über die Zukunft
des europäischen Nachrichtensenders EuroNews anstellen.
Harmonisierung
von Recht und Gesetz
22.
Um die Annäherung unserer Gesellschaften zu intensivieren und neue
Fortschritte auf europäischer Ebene zu verwirklichen, streben wir
an, unsere nationale Gesetzgebung in wesentlichen Bereichen, die das
Leben unserer Bürgerinnen und Bürger betreffen, zu harmonisieren.
Wir rufen unsere Minister auf, bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen
systematisch ihre Partner zu konsultieren und den Stand und die Entwicklung
der Gesetzgebung im Partnerland stärker zu berücksichtigen,
um größtmögliche Übereinstimmung zu erzielen. Wir
wünschen insbesondere, dass Gesetzesvorhaben vorgestellt werden,
die auf eine Annäherung des Zivilrechts, insbesondere des Familienrechts
zielen. Wir müssen unseren im Partnerland ansässigen Bürgerinnen
und Bürgern auch die Staatsbürgerschaft beider Länder
ermöglichen, soweit sie das wünschen. Ebenso müssen wir
die Schwierigkeiten verringern und letztlich beseitigen, die immer noch
für diejenigen Bürgerinnen und Bürger bestehen, die im
Hinblick auf Beruf, Familie oder persönliche Situation ihren Lebensmittelpunkt
sowohl in Deutschland als auch in Frankreich haben.
Ethikrecht
23.
Wir legen großen Wert darauf, für die ethischen Probleme,
die durch den Fortschritt von Wissenschaft und Medizin entstanden sind,
gemeinsamen Antworten zu finden. Unter Berücksichtigung der Überlegungen
der Ethikräte beider Länder wollen wir eng abgestimmte Entwürfe
vorstellen, die die Annahme vergleichbarer Gesetze ermöglichen.
Regionale
und interregionale Zusammenarbeit
24.
Ebenso wünschen wir eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen
Gebietskörperschaften, um das Entstehen neuer Verbindungen, insbesondere
zwischen Bundesländern und französischen Regionen, ebenso
wie die Fortentwicklung einer interregionalen Zusammenarbeit zwischen
den Gemeinden zu begünstigen. Wir unterstützen die Schaffung
eines Eurodistrikts Straßburg-Kehl mit guter Verkehrsanbindung,
um neue Formen der Kooperation zu erforschen und europäische Institutionen
aufzunehmen, und rufen zur Schaffung weiterer Eurodistrikte auf.
Außenpolitik
25.
Deutschland und Frankreich werden darauf achten, in internationalen
Gremien, einschließlich des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen,
gemeinsame Standpunkte einzunehmen und abgestimmte Strategien gegenüber
Drittländern festzulegen, insbesondere im Rahmen der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik.
26.
Unsere Außenminister werden die Vernetzung unserer diplomatischen
und konsularischen Dienste verstärken, insbesondere durch gemeinsame
Unterbringung und gemeinsame Dienstleistungen. Wir beauftragen sie auch
damit, die Möglichkeit der Eröffnung gemeinsamer deutsch-französischer
Botschaften zu prüfen.
27.
Die Dienstleistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger
im Partnerland müssen unter Federführung der Außenministerien
durch eine intensivierte Kooperation zwischen den konsularischen Diensten
und den Verwaltungen des Partnerlandes verbessert werden. Die gegenseitige
Hilfe für unsere Bürgerinnen und Bürger in Drittländern
wird ebenfalls noch weiter ausgebaut werden.
Verteidigung
28.
Im Rahmen der ESVP unterstreichen Deutschland und Frankreich an diesem
Tag, der auch der 15. Jahrestag der Gründung des Deutsch-Französischen
Verteidigungs- und Sicherheitsrates ist, die Qualität und die Bedeutung
ihrer Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung. Sie möchten sie
mit Blick auf den Aufbau Europas stärken. Dabei geht es insbesondere
um die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, einschließlich
der Einführung neuer Formen der Zusammenarbeit, insbesondere durch
Harmonisierung der militärischen Bedarfsplanung und Bündelung
von Fähigkeiten und Ressourcen, um zur Schaffung einer europäischen
Rüstungspolitik und einer europäischen Kultur der Sicherheit
und Verteidigung beizutragen.
Wirtschafts-
und Finanzpolitik
29.
Um die Koordinierung unserer Wirtschaftspolitik und unserer Aktivitäten
auf Ebene der Europäischen Gemeinschaft wie international zu stärken,
werden Deutschland und Frankreich im Rahmen des durch das Protokoll
von 1988 gegründeten Deutsch-Französischen Finanz- und Wirtschaftsrats,
der der Eckstein unserer bilateralen Beziehungen ist, gemeinsame Positionen
zu den sich mittel- und langfristig stellenden grundsätzlichen
Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik wie Finanzierung der Renten
und Pensionen, des Gesundheitssystems und des Arbeitsmarkts entwickeln.
Wir werden ebenso unsere Zusammenarbeit in der Industrie-, Handels-,
Energie-, Technologie- und Transportpolitik vertiefen, um im europäischen
Rahmen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaften zu stärken.
30.
Damit Europa voll und ganz zu den internationalen Debatten der Wirtschafts-,
Finanz- und Handelspolitik beitragen kann und über eine noch größere
Analyse- und Vorschlagskapazität verfügt, womit es seine Stellung
in diesen Bereichen stärken kann, beschließen Deutschland
und Frankreich eine europäische Initiative mit dem Ziel, ein Europäisches
Zentrum für Internationale Wirtschaft zu schaffen, das diesen Zielen
gewidmet ist. Dieses Zentrum könnte in Brüssel angesiedelt
sein und sollte sich schrittweise allen europäischen Partnern öffnen
- Mitgliedsstaaten, Institutionen der Gemeinschaft und privaten Akteuren.
Entwicklungszusammenarbeit
31.
Deutschland und Frankreich verstärken ihre Koordination in der
Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere bei der Definition der Prioritäten
ihrer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit und ihrer Bewertung. Sie
werden bemüht sein, gemeinsame Standpunkte auf diesem Gebiet in
den entsprechenden internationalen Gremien festzulegen. Sie intensivieren
ihre Arbeit vor Ort mit der Durchführung gemeinsamer oder sich
ergänzender Projekte, um zur Entwicklung insbesondere in Afrika
beizutragen und Geißeln wie die Drogen und große Pandemien
wie AIDS zu bekämpfen.
32.
Ebenso rufen wir zur Gründung eines Deutsch-Französischen
Freiwilligendienstes auf, um es jungen Deutschen und jungen Franzosen
zu ermöglichen, sich gemeinsam in Projekten der Zusammenarbeit
in Drittländern, besonders mit Blick auf die Entwicklungsländer,
zu engagieren.
Umwelt
und nachhaltige Entwicklung
33.
In einem Umfeld, in dem Katastrophen und insbesondere Überschwemmungen
immer häufiger in neuer Art und Weise die Frage der Prävention
natürlicher Risiken und des Krisenmanagements aufwerfen, wollen
Deutschland und Frankreich der Motor einer europäischen Politik
zur Prävention von Naturkatastrophen, insbesondere von Überschwemmungen
sein. Sie fordern die Kommission auf, einen Vorschlag zur Schaffung
eines Europäischen Zentrums der Prävention und des Schutzes
bei Überschwemmungen vorzulegen. Der deutsch-französische
Umweltrat wird bei seinen Arbeiten dieser Aufgabe Priorität geben.
Beide Länder werden die Möglichkeit untersuchen, bei Katastrophen
auf gemeinsame Mittel zurückzugreifen.
34.
Wir werden uns für eine wirksame und verantwortungsvolle internationalen
Umweltpolitik durch den Ausbau des Umweltprogramms der Vereinten Nationen
(UNEP) einsetzen und langfristig die Schaffung einer Weltorganisation
für Umweltfragen im Rahmen der Vereinten Nationen anstreben.
Forschung
und technologische Entwicklung
35.
Wir wollen die Entwicklung der deutsch-französischen Zusammenarbeit
fortsetzen, um zur Schaffung eines europäischen Forschungsraums
beizutragen, dies insbesondere durch Aktivitäten zugunsten der
Mobilität von Forscherinnen und Forschern und der Einrichtung von
Promotionsstudiengängen der Deutsch-Französischen Hochschule.
Wir
sind entschlossen, unserer Raumfahrtzusammenarbeit insbesondere im Bereich
der Trägerraketen neue Impulse zu geben. Wir befürworten,
dass die Kompetenz der Europäischen Union im Raumfahrtbereich ausdrücklich
in die Verträge aufgenommen wird. Im Hinblick auf die jüngsten
Entwicklungen in dieser Technik sprechen wir uns im Sinne der deutsch-französischen
Initiative im Rahmen der Vereinten Nationen erneut gegen das menschliche
Klonen aus. Wir treten für die Zusammenarbeit zwischen deutschen
und französischen Forschungsinstituten zur noch wirksameren gemeinsamen
Krebsbekämpfung ein.
Ein
verstärkter bilateraler Abstimmungsprozess
36.
Die deutsch-französischen Gipfeltreffen werden die Form eines Deutsch-Französischen
Ministerrates annehmen. Dieser wird von den Außenministern vorbereitet
werden. Der Ministerrat wird die Koordinierung der deutsch-französischen
Zusammenarbeit auf höchster Ebene sowie die Nacharbeit zu ihrer
Umsetzung in den vorrangigen Handlungsfeldern sicherstellen. Ministerräte
in kleinerer Zusammensetzung können zur Behandlung spezifischer
Themen zusammentreten.
37.
Der Deutsch-Französische Sicherheits- und Verteidigungsrat und
sein Komitee werden anlässlich des Deutsch-Französischen Ministerrates
abgehalten.
38.
Wenn ein Thema der Tagesordnung dazu geeignet ist, nimmt der zuständige
Minister des Partnerlandes an Kabinettssitzungen der anderen Seite teil
und wird eingeladen, gemeinsame legislative Projekte vorzustellen.
39.
Ebenso sollen sich die Minister unserer beiden Länder über
die Ministerräte der Europäischen Union hinaus noch systematischer
und häufiger treffen, insbesondere um Tagesordnungspunkte des Deutsch-Französischen
Ministerrats vorzubereiten.
40.
Der Rhythmus der Treffen auf höchster Ebene zwischen Bundeskanzler
und Staatspräsident, in Anwesenheit der beiden Außenminister,
wird beibehalten und kann wenn nötig intensiviert werden.
41.
In jedem Land wird ein Beauftragter (Generalsekretär) für
die deutsch-französische Zusammenarbeit geschaffen. Diese hochrangige
Persönlichkeit wird persönlich beim Bundeskanzler / beim Premierminister
angesiedelt und über geeignete Strukturen im Außenministerium
verfügen. Der Beauftragte koordiniert die Vorbereitung, Durchführung
und weitere Behandlung der Beschlüsse der politischen Abstimmungsgremien
und die Annäherung unserer beiden Länder in den europäischen
Gremien. Ihm steht ein Vertreter aus dem Partnerland zur Seite.
Der
Beauftragte für die deutsch-französische Zusammenarbeit nimmt
am Deutsch-Französischen Ministerrat teil. Er ist Vorsitzender der
interministeriellen Kommission für die Zusammenarbeit zwischen beiden
Ländern.
42.
Um die gegenseitige Kenntnis der administrativen Praxis und die Effizienz
unserer gemeinsamen Arbeit in den öffentlichen Verwaltungen unserer
beiden Länder zu verbessern, fordern wir unsere Minister auf, die
Abordnung von Beamtinnen und Beamten in das andere Land auf nationaler
wie lokaler Ebene allgemein einzuführen, die Kontakte zwischen
den Verantwortlichen der gleichen Fachbereiche in beiden Ländern
zu systematisieren, den Informationsaustausch zu intensivieren, die
Kenntnis der Partnersprache zu verbessern und gemeinsame Ausbildungsprogramme
insbesondere für den höheren Dienst zu schaffen. Wir schlagen
ihnen auch vor, einen Mitarbeiter aus dem Partnerland in ihren Stab
aufzunehmen. Ebenso schlagen wir den Gebietskörperschaften einen
solchen Austausch vor.
43. Die Umsetzung dieser Erklärung fällt in die gemeinsame
Verantwortung der Ministerien beider Länder für ihren jeweiligen
Zuständigkeitsbereich. Diese legen anlässlich des Gipfeltreffens
nach diesem 40. Jahrestag ein gemeinsames Programm zur Zusammenarbeit
vor. Bei jedem Deutsch-Französischen Ministerrat werden sodann
die Umsetzung der Programme zur Zusammenarbeit bewertet und ihre Prioritäten
aktualisiert.
Der Präsident
der Französischen Republik,
Jacques CHIRAC
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Der Bundeskanzler
der Bundesrepublik Deutschland,
Gerhard SCHRÖDER.
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Verträge, Abkommen, Verfassungen...
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