Weimar, 18,19. September
1997
Die Kultur ist einer
der Kernbereiche der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft.
Die geistige Verwandtschaft unserer Kulturen und ihre gegenseitige Durchdringung,
die unsere gemeinsame Geschichte bezeugt, waren die Voraussetzung für
unser historisches Versöhnungswerk und haben zu seiner Verwirklichung
beigetragen. Seit Unterzeichnung des Elysée-Vertrages haben der kulturelle
Austausch und die Zusammenarbeit im Bildungsbereich einen beispiellosen
Aufschwung genommen. Nie zuvor haben zwei benachbarte Nationen so enge
Beziehungen unterhalten.
In dieses Werk haben wir viel investiert. Die Erfolge können sich sehen
lassen. Sie zeigen sich besonders im Wirken des Deutsch-Französischen
Jugendwerkes, das weit über 5 Mio. Jugendliche mit dem anderen Land vertraut
gemacht hat und das wir für seine weiterhin aktuelle Aufgabe auch in Zukunft
auf einem hohen Finanzierungsniveau halten wollen.
Hervorzuheben sind außerdem die vielen Programme für das Erlernen der
Partnersprache und für die Zusammenarbeit in Schule und Hochschule.
Wir sehen mit Genugtuung die positive Entwicklung, die der europäische
Kulturkanal ARTE seit seinem Programmstart vor fünf Jahren genommen hat.
Wir unterstreichen den im Zwischenstaatlichen Vertrag zum Ausdruck gebrachten
Willen, daß ARTE zu einem Programm "für die Bürger Europas" entwickelt
werden soll und ermutigen die Verantwortlichen, ihre Bemühungen um eine
programmliche und institutionelle Zusammenarbeit mit Fernsehveranstaltern
in anderen europäischen Ländern fortzuführen. Wir setzen uns zugleich
für eine gesicherte Finanzierung und eine angemessene technische Verbreitung
des Programms in Frankreich und Deutschland ein.
Wir haben auf diesem 70. Deutsch-französischen Gipfel in Weimar der Zusammenarbeit
im Bildungs- und Kulturbereich besondere Aufmerksamkeit gewidmet, um auf
die Herausforderungen unserer Zeit zu antworten und neue Schwerpunkte
zu setzen: Ausbildung und Beschäftigung für die Jugend, der weitere Ausbau
Europas und die Förderung seiner Kultur überall in der Welt.
Der Beschäftigung der Jugendlichen gilt unser besonderes Augenmerk und
unser Ehrgeiz: Es geht uns darum, wirkliche deutsch-französische Ausbildungsgänge
einzurichten, die von der Grundschule bis zum Eintritt ins Berufsleben
reichen. Besondere Bedeutung hat dabei die Ausbildung der daran beteiligten
Lehrkräfte. Die Schülerzahlen in bilingualen Schulzweigen wollen wir bis
zum Jahr 2000 nach Möglichkeit verdoppeln. In der beruflichen Bildung,
wollen wir die zwischenstaatliche Mobilität unserer Praktikanten und Auszubildenden
verbessern. Ihnen sollen attraktivere Austauschprogramme angeboten werden,
die ihren Wünschen Rechnung tragen und ihnen besser verwertbare und anerkannte
Qualifikationen eröffnen.
Im Hochschulbereich wollen wir mit der Gründung einer Deutsch-Französischen
Hochschule, für die heute eine Regierungsvereinbarung unterzeichnet wurde,
neue Akzente setzen. Dieses ehrgeizige und symbolträchtige Projekt schafft
erstmals einen dauerhaften Verbund französischer und deutscher Hochschulen,
der als moderne Service-Einrichtung die Möglichkeiten integrierter Studiengänge
und gemeinsamer Hochschulausbildung vervielfacht. Wir bieten damit den
besten unserer Studenten eine deutsch-französische Ausbildung mit deutsch-französischen
Diplomen. Diese Hochschule soll für die Zusammenarbeit mit Universitäten
anderer europäischer Länder offen sein. Auch begrüßen wir private Initiativen
mit gleicher Zielsetzung.
In Zusammenarbeit mit deutschen und französischen Wirtschaftsunternehmen
und Hochschulen, auch mit der Deutsch-Französischen Hochschule, soll ein
regelmäßiges Forum eingerichtet werden, das bilingualen Studierenden eine
Berufsbörse für den Eintritt ins Erwerbsleben bietet.
Zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes wollen wir auch die Chancen
der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit voll nutzen. Wir haben deshalb
eine innovative Strategie überlegt, die Mobilitätsinitiative, um in unserer
Grenzregion die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, insbesondere
den kleinen und mittleren Unternehmen, zu verstärken, der Berufsbildung
eine deutsch-französische und zugleich europäische Perspektive zu eröffnen,
die Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und einander anzunähern, die
gegenseitige Information zu verbreitern und die Zusammenarbeit zur Förderung
der Beschäftigung zu intensivieren. Durch dieses Bündel konkreter Maßnahmen,
das die Wirtschaftspartner, die Berufsverbände und die Ausbildungsinstitutionen
einbezieht, soll die Vernetzung in den deutsch-französischen Grenzgebieten
unter Beteiligung der Nachbarländer entscheidend vorangebracht werden.
Denjenigen, die eine Berufsausbildung mit deutsch-französischer und europäischer
Perspektive beginnen, wollen wir neue Chancen eröffnen. Wir müssen in
diesem Zusammenhang Eltern und Schülern noch besser vermitteln, wie wichtig
es für die Zukunft der Jugend ist, daß möglichst viele die Sprache des
Nachbarn lernen und auch in der Praxis beherrschen. Beide Seiten beabsichtigen
deshalb, Eltern und Schüler umfassend über die Bedeutung von Deutsch-
und Französischkenntnissen für unsere Zusammenarbeit und im zusammenwachsenden
Europa zu informieren, um ihnen die Chancen zu verdeutlichen, die sich
durch die Kenntnis der Partnersprache sowohl für das Studium als auch
für das berufliche und private Leben eröffnen.
Aus dem gleichen Grund soll das Verständnis für die aktuellen Entwicklungen
im Partnerland vertieft werden. Diesem Ziel wird die bevorstehende Gründung
eines Zentrums für Deutschland-Studien in Frankreich dienen, das fächerübergreifend
künftige Deutschlandexperten ausbilden soll.
Wir sind ferner übereingekommen, die Gründung einer Deutsch-Französischen
Akademie vorzubereiten. Diese Institution von hohem Rang soll zunächst
in Form eines Verbundes bestehender Einrichtungen vor allem den Austausch
in Kunst und Kultur fördern.
Wesentliches Element europäischen Kulturerbes sind Literatur und Buchwesen,
deren Bewahrung unseren beiden Regierungen ein wichtiges Anliegen ist.
Deshalb stimmen wir überein, daß die Buchpreisbindung in den zusammenhängenden
europäischen Sprachräumen erhalten bleiben muß, deren Prüfung zur Zeit
bei der Europäischen Kommission ansteht. Wir wünschen, daß die Hindernisse,
die der Einführung eines festen Ladenpreises für Bücher in den zusammenhängenden
Sprachräumen der Europäischen Union entgegenstehen, durch die Gestattung
von grenzüberschreitenden Vereinbarungen in diesem Bereich beseitigt werden.
Wir glauben schließlich, daß die Zeit reif ist, unserer kulturellen Partnerschaft
bei uns selbst, in Europa und überall in der Welt ein stärkeres Profil
zu geben.
In beiden Staaten geht es darum, die Städte und Gemeinden, die Regionen
und Länder, in denen das Partnerland mit kulturellen Einrichtungen präsent
ist, stärker an deren Arbeit zu beteiligen und auf diese Weise echte und
dauerhafte Partnerschaften zu begründen.
Im Ausland ist eine enge Zusammenarbeit zwischen unseren Schulen und Kulturinstituten
schon vielfach Wirklichkeit geworden. Wir halten es jetzt für erforderlich,
unsere Strukturen in der Auswärtigen Kulturpolitik noch mehr einander
anzunähern und unsere Programme dort, wo es möglich ist, besser zu koordinieren.
Wir müssen einen selbstverständlichen "deutsch-französischen Reflex" in
unserer gemeinsamen kulturellen Arbeit in anderen Ländern entwickeln.
Die deutsch-französischen Beziehungen werden, indem sie sich so der Welt
öffnen, ein weiteres Mal den Beweis ihrer Beispielhaftigkeit erbringen.
Verträge, Abkommen, Verfassungen...
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