Deutsch-Französisches
Forum: Die EU-Kommis-sion möchte die Betrugs-bekämpfung in den europäischen
Institutionen durch die Einrichtung von OLAF verbessern. Halten
Sie diese neue Behörde für unabhängig genug?
Bernhard Friedmann: OLAF ist ja an die Kommission angelehnt,
wenn nicht gar integriert. Die Bewerbungen für den Chefposten waren
an die Kommission zu richten.
Forum: Die selbst überprüft werden soll?
B. Friedman : Genau. Wenn der zu Prüfende entscheidenden
Einfluss darauf hat, wer die Prüfungsinstanz leiten soll, wirft
das die Frage ihrer Unabhängigkeit auf. Auch der Haushalt von OLAF
wird ja ein Anhang des Haushalts der Kommission sein. Damit ist
eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit von Seiten der Kommission gegeben,
und wer gegen OLAF vor Gericht gehen will, muss seine Klage an die
Kommission richten.
Forum: Wie könnte man OLAF denn unabhängiger machen?
B. Friedmann: Die Umstellung von UCLAF auf OLAF als erster
Schritt war sicher lobenswert, aber ich möchte doch die Frage aufwerfen,
ob man nicht noch weiter gehen sollte und ob OLAF nicht dem Rechnungshof
angegliedert werden sollte.
Forum: Welchen Vorteil hätte das?
B. Friedmann: Staatsanwälte können nur mit einem begründeten
Anfangsverdacht ermitteln. Der Rechnungshof kann jederzeit prüfen.
Ausserdem braucht jeder Staatsanwalt Experten, die ihm an die Hand
gehen. Fernziel bleibt nach wie vor eine europäische Staatsanwaltschaft.
Forum: Sollte ein Kommissar dann zurücktreten, wenn OLAF gegen ihn
ermittelt?
B. Friedmann: Er sollte den Ermittlungen keinesfalls im Wege
stehen und notfalls sein Mandat ruhen lassen. Die Immunität eines
Kommissars sollte jedoch zügig aufgehoben werden, wenn das von der
Staatsanwaltschaft verlangt und begründet wird.
Forum: Sobald die Osterweiterung der EU vollzogen ist, werden
neue Fördertöpfe entstehen. Ist Subventionsbetrug in der EU dann
überhaupt noch kontrollierbar?
B. Friedmann: Ja, aber dazu müssen wir die Strukturen in
der EU völlig umstellen. Je mehr Staaten der EU angehören, desto
weniger kann man alle Detailentscheidungen in Brüssel treffen. Ich
könnte mir vorstellen, dass sich das Europaparlament und der Ministerrat
eines Tages nur noch auf die grossen politischen Ziele einigen,
die dann durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Diese
sollten das Geld dafür sodann im Rahmen eines Finanzausgleichs erhalten.
Die Überprüfung der Vergabe dieses Ausgleichs sollte in technischer
Hinsicht durch den Europäischen Rechnungshof und politisch durch
das Europäische Parlament und den Ministerrat erfolgen.
Forum: Was hätte das für Folgen?
B. Friedmann : Die Kommission würde dann eine ganz neue Gestalt
bekommen. Sie wäre dann zwar das „Herz" der europäischen Entwicklung,
aber sie wäre von allen Nebensächlichkeiten entlastet. Ein Wirtschaftsraum,
der grösser ist als die USA, kann nicht bis ins Detail durch relativ
wenige Beamte von Brüssel aus umfassend regiert werden. Wir brauchen
sich selbst tragende Mechanismen, die dieses Europa zusammenhalten.
Es geht darum, Europa gestaltbar, handlungsfähig und einfacher regierbar
zu machen.
Forum: Dadurch würde der Rechnungshof doch zur Superbehörde.
Noch mehr Technokratie?
B. Friedmann: Auch der Rechnungshof sollte keine Überbehörde
werden. Unsere Institution müsste dann noch stärker mit den ohnehin
bestehenden nationalen Rechnungshöfen zusammenarbeiten. Das wäre
vielleicht sogar noch effektiver. Ich bin jedenfalls kein Fetischist
von grossen und zahlreichen Behörden.
Forum: Wie sollte Ihrer Meinung nach ein solcher Finanzausgleich
finanziert werden?
B. Friedmann: Derzeit richtet sich die Finanzierung der Union
am Bruttosozialprodukt aus. Wenn Indien beispielsweise Mitglied
der EU wäre, hätte es die höchsten Beiträge zu bezahlen, weil eine
Milliarde Menschen allemal mehr produzieren als 80 Millionen Deutsche.
Ein besserer Masstab zur Berechnung der Mitgliedsbeiträge wäre das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftparitäten, weil dies auf
den persönlichen Wohlstand des Einzelnen abstellt. Wenn dann Land
A ein doppelt so hohes Bruttoinlands-produkt pro Kopf hätte wie
das Land B, so müsste A auch doppelt soviel in die Union einzahlen
und würde bei den Rückflüssen nur die Hälfte bekommen.
Forum: Würde dieses System die Betrugsbekämpfung effektiver machen?
B. Friedmann: Momentan ist die Lage so, dass derjenige Beamte,
der in seinem Land einen Subventionsbetrug aufdeckt, eine Rückzahlungs-pflicht
des betreffenden Staates gegenüber der EU auslöst. Dafür wird dieser
Beamte mit Sicherheit nicht befördert. Im Rahmen eines Finanzausgleiches
ist jeder Staat jedoch daran interessiert, dass das Geld richtig
verwendet wird, da die Mittelbestimmung dann in die nationale Kompetenz
fallen würde.
Forum: Herzlichen Dank für dieses Gespräch!
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