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• Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten
In dem vorliegenden Forum-Interview geht Pascal Lamy näher auf die diversen Handelskonflikte zwischen EU und USA ein: auf die mittlerweile beigelegte Bananenfrage, den Streit um hormonell versetztes Rindfleich, die amerikanischen Foreign Sales Corporations im Ausland. Er kommt auch auf die anstehende Handelsrunde zu sprechen. Zudem erfahren wir, wie er und sein amerikanischer Amtskollege Bob Zoellick ihr wechselseitiges Verhältnis betrachten: "Hinsichtlich der Grundprinzipien unserer Mission sind wir derselben Ansicht. Wir sehen die Handelsbeziehungen in einem weiteren, strategischen und umfassenden Kontext. Wir glauben beide an die Notwendigkeit, die Entwicklungsländer an dem weltumspannenden System der Handelsbeziehungen teilhaben zu lassen." © 2001
Pascal LAMY - Europäischer Kommissar (Handel)


Deutsch-französisches Forum: Sie haben kürzlich ihren amerikanischen Amtskollegen, den Staatssekretär im Handelsministerium Robert Zoellick in Washington D.C. getroffen. Zu welchem Ergebnis sind Sie in den Gesprächen gekommen?

Pascal Lamy: Es war unsere erste Begegnung im Rahmen unserer handelspolitischen Aufgaben, aber Bob Zoellick und ich kennen uns schon seit der Zeit, wo wir als "Sherpas" für die G7-Treffen arbeiteten. Ich denke, dass die wichtigste Übereinstimmung, die sich aus den Gesprächen ergeben hat, darin besteht, dass wir uns dessen bewusst sind, dass Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Lagern in bestimmten Bereichen kaum zu

vermeiden sein werden, dass wir uns aber auch darüber einig sind, dass eine Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten liegt, um das Vorhaben der welthandelspolitischen Verhandlungen voranzubringen. Hinsichtlich der Grundprinzipien unserer Mission sind wir derselben Ansicht.

Bob Zoellick und ich sehen die Handelsbeziehungen in einem weiteren, strategischen und umfassenden Kontext. Wir glauben beide an die Notwendigkeit, die Entwicklungsländer an dem weltumspannenden System der Handelsbeziehungen teilhaben zu lassen, und fühlen uns beide von so wichtigen Themen betroffen, wie z.B. der Möglichkeit, sich zu erschwinglichen Preisen Arzneimittel zu verschaffen, um gegen tödliche Krankheiten zu kämpfen. Diese Position spiegelt die Tatsache wider, dass seit der "Belagerung" von Seattle die Frage der Handelsbeziehungen nicht länger den Spezialisten anheimfällt, sondern einen ausgesprochen politischen Charakter besitzt.

Zu meiner Freude hat mir Bob Zoellick mitgeteilt, dass die Vereinigten Staaten auf das multilaterale Handelssystem und eine neue Verhandlungsrunde Wert legen, gleichzeitig aber auch die regionalen Austauschbeziehungen aufmerksam verfolgen. Die wichtigste Zielsetzung der Union besteht sicherlich darin, eine neue Verhandlungsrunde einzuläuten, aber wir verfolgen natürlich auch regionale Interessen, vor allem im Rahmen der Verhandlungen mit Chile und dem Mercosur. Eine Zusammenarbeit ist von grundlegender Bedeutung, um dem Prozess der Welthandelsorganisation (WHO) neue Impulse zu verleihen. Und ich bin sicher, dass uns das auch gelingen wird.

Forum: Es ist häufig die Rede von den Handelskonflikten zwischen der EU und den USA. Sind Sie auch auf dieses Thema zu sprechen gekommen, und haben Sie in diesem Fall etwas erreichen können?

P. Lamy: Natürlich haben wir uns auch mit unseren bilateralen Problemen auseinandergesetzt. Wir sind beispielsweise auf den Bananenstreit, den wir im übrigen jetzt beigelegt zu haben glauben, das Problem der Hormonrinder sowie das System der amerikanischen Foreign Sales Corporations zu sprechen gekommen. Worin auch immer unsere Meinungsverschiedenheiten bestehen mögen, wir sind uns über den zentralen Punkt einig, dass die Regeln der WHO sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von der Europäischen Union respektiert werden müssen. Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass es nur um rund 2% unserer Handelsbeziehungen geht. Angesichts des beträchtlichen Volumens der laufenden Handelsbeziehungen kommt es von Zeit zu Zeit unvermeidlich zu Problemen: Lassen Sie uns also nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren. Unsere Strategie besteht darin, die Probleme zu lösen oder sie wenigstens vernünftig und pragmatisch anzugehen. Wie Sie wissen, hat sich dieser Ansatz in dem Bananenstreit bereits ausgezahlt. Ich bin der Überzeugung, dass wir in dieser Form auch mit der neuen Regierung und - was nicht minder wichtig ist - mit dem Kongress weiterarbeiten können.

Als ich im September 1999 mein Amt angetreten habe, habe ich mir vorgenommen, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit die Union sich den für uns ungünstigen Entscheidungen der Sonderkommission der WHO fügt. In der Bananenfrage war dies besonders schwierig, aber wir haben die Grundlagen zu einem Abkommen gelegt, das einen Konflikt beenden dürfte, der die transatlantischen Beziehungen allzu lange belastet hat. Mein Kollege Franz Fischer, Kommissar für Landwirtschaft, und ich haben uns immer wieder darum bemüht, die Handelsregeln für Bananen zu modifizieren und sie den Regeln der WHO anzugleichen. Nach intensiven Verhandlungen mit unseren amerikanischen Amtskollegen ist es uns schließlich Mitte April gelungen, uns auf eine Formel zu einigen, die in unseren Augen alle Parteien zufrieden stellen sollte. Das neu eingerichtete System wird eine Übergangslösung zu einem ausschließlich tariflichen System bilden, das bis zum Jahre 2006 in Kraft treten soll. In der Zwischenzeit werden die in die Europäische Union importierten Bananen auf der Grundlage von Genehmigungen zugelassen, die den zurückliegenden Handelsvolumen entsprechen. Am 1. Juli 2001 werden die Vereinigten Staaten die seit 1999 verhängten Sanktionen gegen die Importe aus der Union aussetzen.

Forum: In Washington haben Sie die Schwerindustrie als einen eventuellen Streitpunkt genannt. Was wollten Sie damit sagen?

P. Lamy: Wir wissen alle, wie wichtig und heikel die Frage der Schwerindustrie ist. Damit dieser Wirtschaftszweig vor dem aktuellen Hintergrund der Globalisierung überleben kann, müssen die Unternehmen wettbewerbsfähig, die Konkurrenzbedingungen jedoch gerecht sein. In der Europäischen Union hat die Schwerindustrie einem schmerzhaften, letztlich aber erfolgreichen Rationalisierungsprozess unterzogen werden müssen, in dessen Verlauf die Überschusskapazitäten abgebaut sowie Leistungsfähigkeit und Qualität verbessert wurden. In den Vereinigten Staaten jedoch ist in diesem Wirtschaftssektor zu Antidumpingmaßnahmen gegriffen worden und zu Schutzklauseln, so dass wir vor einem sehr ernsthaften Problem stehen. Angesichts dessen fürchte ich, dass sich hier ein Konflikt abzeichnet.

Forum: Welche hauptsächlichen Handelsfragen stehen Ihrer Meinung nach für das Jahr 2001 an, und was erhoffen Sie zu erreichen?

P. Lamy: Die Vorbereitung der neuen Verhandlungsrunde ist für das Gesamtjahr unser oberstes Ziel, und wir hoffen, dass die vierte Ministerkonferenz der WHO im November in Qatar zu einer Einleitung von Verhandlungen führen wird. Wir müssen die Wähler zu beiden Seiten des Atlantiks und auch den Rest der Welt davon überzeugen, dass eine neue Verhandlungsrunde tatsächlich und faktisch notwendig ist, die die traditionell von der WHO verfolgten Bemühungen zur Unterstützung der Hersteller, Exporteure und Importeure durch einen erleichterten Marktzugang in allen Bereichen fortsetzen muss. Gleichwohl muss sie auch auf die Ängste der Zivilgesellschaft eingehen, die sich mehr denn je für die handelspolitischen Fragen interessiert. Darüber hinaus muss sie auch den Bedürfnissen und Wünschen der weniger entwickelten Länder mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen, ohne eine nachhaltige Entwicklung aus den Augen zu verlieren. Zu den großen Handelsthemen, die meiner Meinung nach in diesem Jahr angeschnitten werden, gehört das Beitrittsverfahren Chinas zu der WHO. Durch die Teilnahme dieses Landes würde sie zu einer wirklichen Welthandelsorganisation. Der Schritt dazu sollte zügig vollzogen werden.

Forum: Denken Sie, dass das Jahr 2001 von dem Beginn einer neuen Verhandlungsrunde geprägt sind wird?

P. Lamy: Ich besitze keine Kristallkugel, aber ich hoffe schon. Die Union wird auch in Zukunft alles daran setzen, diesem Projekt konkrete Gestalt zu verleihen. Ich bin der Ansicht, dass es in diesem Jahr wahrscheinlicher ist als in der Vergangenheit, dass eine neue Verhandlungsrunde eingeläutet wird. Mir scheint, dass weltweit eine ganze Reihe von Ländern sich dessen bewusst ist, dass das System der WHO selbst erschüttert würde, wenn man den Termin zu lange hinauszögerte. Gerade die Entwicklungsländer hätten am meisten zu verlieren, denn sie hätten bei regionalen und bilateralen Abkommen bei weitem nicht dieselbe Verhandlungsmacht wie innerhalb der WHO. Ich glaube, dass die Gerüchte über eine Weltwirtschaftsrezession alle Parteien dazu veranlassen werden, sich auf die Aufnahme der Verhandlungen zu konzentrieren. Eine neue Verhandlungsrunde bedeutet tatsächlich die sicherste Vorbeugung gegen eine Rezession, denn sie trägt zu einem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum bei.

Übersetzung Forum (MT)



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