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• Deutschland und Frankreich : Gemeinsame
Auswärtige Kulturpolitik ? Überlegungen an einem Beispiel
Sollte man zur Vollendung der Europäischen Union nicht auch die Auswärtige Kulturpolitik daraufhin prüfen, ob sie weiterhin nationalen Charakter tragen solle oder europäischen. Wenn denn nach dem Ende der Ost-Westkonfrontation neue Konfliktlinien entlang von Großkulturgrenzen entstünden, müßte dann vorbeugender, konfliktentschärfender Kulturdialog nicht auf dieser, Europa transzendierenden Ebene liegen? ©1999
Alois Graf von WALDBURG-ZEIL - Vorsitzender des Institutes für Auslandsbeziehungen, Stuttgart


Im Jahre 1998 ist die deutsch-französische Freundschaft in Baden-Württemberg besonders beschworen worden. Von Bundespräsident Roman Herzog und Jacques Delors am 4. Juni in Ludwigsburg anlässlich des 5o-jährigen Jubiläums des Deutsch-Französischen Instituts ebenso wie von Ministerpräsident Erwin Teufel am 12.November am gleichen Ort anlässlich seines Abschieds als Bevollmächtigter für die kulturelle deutsch-französische Zusammenarbeit. Zu nennen sind aber auch die "Deutsch-Französischen Kulturgespräche" im Juni in Freiburg, die sich das Thema: "Globalisierung als kulturelle Herausforderung" gestellt hatten. Kulturelle Identität: Aber auf welcher Ebene? Fast möchte man die Formel wählen: "Je stärker der Trend zu politischer, wirtschaftlicher und sozialer Integration, desto höher das Bedürfnis nach dezentraler Kultur".

Als Vorsitzender des Unterausschusses für Auswärtige Kulturpolitik in der 13ten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hatte ich am 14ten April 1997 eine Anhörung zu leiten, in der von verschiedenen Experten der Vorschlag gemacht wurde, man möge doch überlegen, ob auf dem Wege zur Vollendung der Europäischen Union nicht auch die Auswärtige Kulturpolitik daraufhin überprüft werden müsste, ob sie weiterhin nationalen Charakter tragen solle oder europäischen. Der Beitrag von Samuel Huntington erweiterte die Perspektive noch auf globale Ebene: Wenn denn nach dem Ende der Ost-Westkonfrontation neue Konfliktlinien entlang von Grosskulturgrenzen entstünden, müsste dann vorbeugender, konfliktentschärfender Kulturdialog nicht auf dieser, Europa transzendierenden Ebene liegen?

Solche Vorschläge sind leichter gemacht als durchgeführt. In der theoretischen Diskussion gibt es blendende Beiträge wie die Thesen von Joachim Sartorius zur „Europäischen Kulturpolitik und die kulturelle Entwicklung Europas" ("Kulturpolitische Mitteilungen" Nr. 76 1/97) oder die Reden, die auf dem 41. Kulturpolitischen Kolloquium 1997 in Loccum zum Thema "Neue Perspektiven europäischer Kulturpolitik" gehalten wurden. Konkrete Beispiele der Realisierung gibt es wenige. Der Sprung zu einem europäischen Kulturinstitut, einem europäischen Lesesaal ist vielleicht zu gross. Könnte der deutsch-französische Kern Europas als Experimentierfeld dienen?

Ein Beispiel. Der Dialog der Mittelmeeranrainer, das christlich-muselmanische, das europäisch-arabische Gespräch stellen einen wesentlichen Teil europäischer Kulturpolitik nach aussen dar. Dennoch betreiben alle europäischen Länder in jedem südlich an das Mittelmeer angrenzenden Land ihre eigene Auswärtige Kulturpolitik. Das kann durchaus bereichernd sein. Es geht auch gar nicht darum diese Bemühungen in einen Europool zu werfen sondern sie zu koordinieren.

Nehmen wir uns kurz unsere deutschen Bemühungen vor und zwar am Beispiel Tunesiens.

Wir pflegen die geschichtliche Gemeinsamkeit des Mittelmeerraumes. Es geht um gemeinsames kulturelles Erbe. Für Projekte des Kulturerhalts in Tunesien wurden von 1982 bis heute 2,23 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Das wichtigste war das Museum Chemtou. Seit 1980 hatte das Deutsche Archäologische Institut dort Ausgrabungen durchgeführt. In Chemtou finden sich Baudenkmäler aus numidischer, punischer, klassisch-römischer und christlicher Zeit. 1990 trat die tunesische Regierung an uns mit der Bitte heran, uns am Projekt eines Museumsausbaus zu beteiligen. Am 31.10.93 wurde der Grundstein gelegt. Inzwischen ist das Projekt fertig, das nicht eine deutsche Liebhaberei, sondern ein echt partnerschaftliches Projekt darstellt. Ebenfalls bedeutend war die Restaurierung des Mahdiaschiffsfundes. Es handelt sich um ein im Golf von Mahdia entdecktes und gehobenes Schiffswrack aus der Zeit um 80 v.Ch. Es wurde von uns restauriert und im Herbst 1994 im Rheinischen Landesmuseum in Bonn ausgestellt. Schliesslich hat sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Restaurierung wertvoller Handschriften in Kairouan beteiligt.

Wir pflegen den Austausch von Wissenschaft und Hochschulen. Die Zahl tunesischer Studenten ist von etwa 200 auf jetzt 900 gewachsen. Es handelt sich hauptsächlich um Studierende der Ingenieurswissenschaften, der Mathematik und der Naturwissenschaften. Die deutsche Sprache ist Schwerpunkt der Arbeit des Goethe-Instituts. Sie findet grosses Interesse wegen der hohen Zahl deutscher Touristen (ca. 850000 pro Jahr). Etwa 12 000 Schüler lernen an 120 Schulen landesweit deutsch. Deutschlehrer- u. Germanistikausbildung werden gefördert.

Gerundet wird die deutsch-tunesische Kulturzusammenarbeit durch Förderung von Film, Rundfunk, Musik, Tanz, Theater u. Ausstellungen sowie die Arbeit der politischen Stiftungen, des Jugendaustausches, bilaterale Freundschaftsgesellschaften und Städtepartnerschaften.

Stellt dieser Kurzabriss nicht geradezu den Gegenbeweis zur These gemeinsamer europäischer oder auch nur deutsch-französischer Kulturbeziehungen dar? Was hätte gemeinsam besser gemacht werden können? Ist nationale Kulturrepräsentanz nicht unerlässlich? Ist die Trennung nicht alleine schon wegen unterschiedlicher kolonialer Vorbelastung sinnvoll? Die Fragen haben Gewicht. Andererseits hat Tunesien sein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet und nicht mit Frankreich oder mit Deutschland. Bei aller Freude am Bilateralen wäre etwas bessere Abstimmung sinnvoll.

Zunächst einmal ist Frankreich mit seinem Kulturangebot konkurrenzlos. Im „Institut Français de coopération" arbeiten rund hundert Mitarbeiter/innen. Schon deshalb erscheint enges Zusammenwirken als sinnvoll. Der französische Staat gibt 25 Millionen Francs für Stipendien tunesischer Studenten in Frankreich aus. Jährlich werden 100 Projekte in einer intensiven Wissenschafts- und Hochschulzusammenarbeit realisiert. Es würde sicher lohnen, sich im Zeichen übergeordneter kultureller Begegnungsziele an mehr kollegiale Zusammenarbeit heranzutasten.

Das gewählte Beispiel mag am Rande liegen. Aber von den Rändern her lassen sich neue Formen des Zusammenwirkens wahrscheinlich leichter entwickeln als von den prestigebeladenen Zentren aus.



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