Im Jahre 1998
ist die deutsch-französische Freundschaft in Baden-Württemberg
besonders beschworen worden. Von Bundespräsident Roman Herzog
und Jacques Delors am 4. Juni in Ludwigsburg anlässlich des
5o-jährigen Jubiläums des Deutsch-Französischen Instituts
ebenso wie von Ministerpräsident Erwin Teufel am 12.November
am gleichen Ort anlässlich seines Abschieds als Bevollmächtigter
für die kulturelle deutsch-französische Zusammenarbeit.
Zu nennen sind aber auch die "Deutsch-Französischen Kulturgespräche"
im Juni in Freiburg, die sich das Thema: "Globalisierung als
kulturelle Herausforderung" gestellt hatten. Kulturelle Identität:
Aber auf welcher Ebene? Fast möchte man die Formel wählen:
"Je stärker der Trend zu politischer, wirtschaftlicher
und sozialer Integration, desto höher das Bedürfnis nach
dezentraler Kultur".
Als Vorsitzender
des Unterausschusses für Auswärtige Kulturpolitik in der
13ten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hatte ich am 14ten
April 1997 eine Anhörung zu leiten, in der von verschiedenen
Experten der Vorschlag gemacht wurde, man möge doch überlegen,
ob auf dem Wege zur Vollendung der Europäischen Union nicht
auch die Auswärtige Kulturpolitik daraufhin überprüft
werden müsste, ob sie weiterhin nationalen Charakter tragen
solle oder europäischen. Der Beitrag von Samuel Huntington
erweiterte die Perspektive noch auf globale Ebene: Wenn denn nach
dem Ende der Ost-Westkonfrontation neue Konfliktlinien entlang von
Grosskulturgrenzen entstünden, müsste dann vorbeugender,
konfliktentschärfender Kulturdialog nicht auf dieser, Europa
transzendierenden Ebene liegen?
Solche Vorschläge
sind leichter gemacht als durchgeführt. In der theoretischen
Diskussion gibt es blendende Beiträge wie die Thesen von Joachim
Sartorius zur Europäischen Kulturpolitik und die kulturelle
Entwicklung Europas" ("Kulturpolitische Mitteilungen"
Nr. 76 1/97) oder die Reden, die auf dem 41. Kulturpolitischen Kolloquium
1997 in Loccum zum Thema "Neue Perspektiven europäischer
Kulturpolitik" gehalten wurden. Konkrete Beispiele der Realisierung
gibt es wenige. Der Sprung zu einem europäischen Kulturinstitut,
einem europäischen Lesesaal ist vielleicht zu gross. Könnte
der deutsch-französische Kern Europas als Experimentierfeld
dienen?
Ein Beispiel.
Der Dialog der Mittelmeeranrainer, das christlich-muselmanische,
das europäisch-arabische Gespräch stellen einen wesentlichen
Teil europäischer Kulturpolitik nach aussen dar. Dennoch betreiben
alle europäischen Länder in jedem südlich an das
Mittelmeer angrenzenden Land ihre eigene Auswärtige Kulturpolitik.
Das kann durchaus bereichernd sein. Es geht auch gar nicht darum
diese Bemühungen in einen Europool zu werfen sondern sie zu
koordinieren.
Nehmen wir
uns kurz unsere deutschen Bemühungen vor und zwar am Beispiel
Tunesiens.
Wir pflegen
die geschichtliche Gemeinsamkeit des Mittelmeerraumes. Es geht um
gemeinsames kulturelles Erbe. Für Projekte des Kulturerhalts
in Tunesien wurden von 1982 bis heute 2,23 Millionen DM zur Verfügung
gestellt. Das wichtigste war das Museum Chemtou. Seit 1980 hatte
das Deutsche Archäologische Institut dort Ausgrabungen durchgeführt.
In Chemtou finden sich Baudenkmäler aus numidischer, punischer,
klassisch-römischer und christlicher Zeit. 1990 trat die tunesische
Regierung an uns mit der Bitte heran, uns am Projekt eines Museumsausbaus
zu beteiligen. Am 31.10.93 wurde der Grundstein gelegt. Inzwischen
ist das Projekt fertig, das nicht eine deutsche Liebhaberei, sondern
ein echt partnerschaftliches Projekt darstellt. Ebenfalls bedeutend
war die Restaurierung des Mahdiaschiffsfundes. Es handelt sich um
ein im Golf von Mahdia entdecktes und gehobenes Schiffswrack aus
der Zeit um 80 v.Ch. Es wurde von uns restauriert und im Herbst
1994 im Rheinischen Landesmuseum in Bonn ausgestellt. Schliesslich
hat sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Restaurierung wertvoller
Handschriften in Kairouan beteiligt.
Wir pflegen
den Austausch von Wissenschaft und Hochschulen. Die Zahl tunesischer
Studenten ist von etwa 200 auf jetzt 900 gewachsen. Es handelt sich
hauptsächlich um Studierende der Ingenieurswissenschaften,
der Mathematik und der Naturwissenschaften. Die deutsche Sprache
ist Schwerpunkt der Arbeit des Goethe-Instituts. Sie findet grosses
Interesse wegen der hohen Zahl deutscher Touristen (ca. 850000 pro
Jahr). Etwa 12 000 Schüler lernen an 120 Schulen landesweit
deutsch. Deutschlehrer- u. Germanistikausbildung werden gefördert.
Gerundet wird
die deutsch-tunesische Kulturzusammenarbeit durch Förderung
von Film, Rundfunk, Musik, Tanz, Theater u. Ausstellungen sowie
die Arbeit der politischen Stiftungen, des Jugendaustausches, bilaterale
Freundschaftsgesellschaften und Städtepartnerschaften.
Stellt dieser
Kurzabriss nicht geradezu den Gegenbeweis zur These gemeinsamer
europäischer oder auch nur deutsch-französischer Kulturbeziehungen
dar? Was hätte gemeinsam besser gemacht werden können?
Ist nationale Kulturrepräsentanz nicht unerlässlich? Ist
die Trennung nicht alleine schon wegen unterschiedlicher kolonialer
Vorbelastung sinnvoll? Die Fragen haben Gewicht. Andererseits hat
Tunesien sein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet und nicht
mit Frankreich oder mit Deutschland. Bei aller Freude am Bilateralen
wäre etwas bessere Abstimmung sinnvoll.
Zunächst
einmal ist Frankreich mit seinem Kulturangebot konkurrenzlos. Im
Institut Français de coopération" arbeiten
rund hundert Mitarbeiter/innen. Schon deshalb erscheint enges Zusammenwirken
als sinnvoll. Der französische Staat gibt 25 Millionen Francs
für Stipendien tunesischer Studenten in Frankreich aus. Jährlich
werden 100 Projekte in einer intensiven Wissenschafts- und Hochschulzusammenarbeit
realisiert. Es würde sicher lohnen, sich im Zeichen übergeordneter
kultureller Begegnungsziele an mehr kollegiale Zusammenarbeit heranzutasten.
Das gewählte
Beispiel mag am Rande liegen. Aber von den Rändern her lassen
sich neue Formen des Zusammenwirkens wahrscheinlich leichter entwickeln
als von den prestigebeladenen Zentren aus.
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